Frauenfeindliche Vorurteile und typische Hexereivorwürfe – Die Sage vom Hexengraben

In der Version der Vrenen-Sage, wie sie auf der Ämtlerweg-Tafel 6 abgedruckt ist, wird die Vrene als «böse», «geizig» und «rabiat» verunglimpft, ausserdem wird impliziert, sie sei alt und einsam («Witwe»). Zur angeblichen Boshaftigkeit gesellt sich noch Rachsucht («die Rachedurstige») und Schadenfreude («Freude über die bald gelungene Rache»). Zu guter Letzt muss die Vrene angeblich auch äusserst geschwätzig gewesen sein, war doch die Auflage des Teufels, dass sie beim Graben «kein Wort reden» dürfe.

Bis heute finden sich solche und andere frauenfeindliche Stereotype in vielen Sagen, Märchen, Filmen und Serien, besonders in jenen über «Hexen». Die Schicksale realer Frauen und das Unrecht, das ihnen angetan wurde, werden zur verharmlosenden Popkultur.

Die Vorwürfe gegen Vrene sind typische Anklagepunkte in den Hexereiprozessen der Frühen Neuzeit. Der Plan, die Herferschwiler mit Wasser aus dem Türlersee zu «ersäufen», würde wohl unter den Anklagepunkt «Schadenszauber gegen Menschen» fallen. Das angebliche Versetzen von Grenzsteinen «zu ihren Gunsten» ist auch ein typischer Vorwurf. In der Realität – angesichts der Einflussverteilung und der Tatsache, dass Vrene das begehrte Land am Seeufer besass – war wohl eher das Gegenteil der Fall. Das Fliegen auf dem Schaufelstiel ist eine interessante Abwandlung der sonst oft in Sagen über «Hexen» anzutreffenden Besenstiele oder gegabelten Äste, die als Transportmittel zum «Hexensabbat», also der massenhaften Zusammenkunft von «Hexen» mit Dämonen und dem Teufel, dienen sollten. Die gravierendsten Vorwürfe sind aber die Verleumdung Gottes, welche Vrene mit dem Ausspruch «So geschehe es Gott zu Lieb oder zu Leid» begangen haben soll, sowie der Pakt mit dem Teufel. Die sogenannte «Teufelsbuhlschaft», also die körperliche Vereinigung mit dem Teufel, war der zentrale Vorwurf, den die Untersuchungsrichter in den Prozessen zu belegen versuchten. Die durch Folter herausgepressten Geständnisse der Teufelsbuhlschaft waren die Voraussetzung für eine Verurteilung zum Tod durch das Feuer.[1]

Hinweis: Die Begriffe «Hexenverfolgung» und «Hexereiverfolgung» werden in der historischen Forschung in der Regel als Synonyme verwendet, so auch in diesen Texten. Trotzdem betont «Hexereiverfolgung» stärker die Ahndung des damals rechtlich definierten Deliktes der Hexerei und die realen Prozesse, während «Hexenverfolgung» implizieren kann, dass es «Hexen» tatsächlich gegeben habe, was aus heutiger Sicht klar zu verneinen ist.

Text: Fabienne Dubs, M.A., Historikerin

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Quelle

[1] vgl. Christine Christ-von Wedel, «Die Zürcher Hexenprozesse und die Reformatoren», in: Zwingliana 48, 2021, S. 71–114, hier: S. 103.